Oder auch: Warum es nicht „nur“ ein Blatt war
Kennst du das? Du bist mit deinem Pferd unterwegs, alles läuft ganz entspannt, und plötzlich – ein Blatt raschelt im Wind. Dein Pferd zuckt zusammen, springt zur Seite oder verweigert sich ganz. Du denkst dir vielleicht: „Es war doch nur ein Blatt!“ Doch genau das war es eben nicht. Es war der berühmte Tropfen, der das Stress-Fass zum Überlaufen brachte.
Genau wie bei uns Menschen ist es oft nicht der eine große Auslöser, der unser Nervenkostüm ins Wanken bringt. Vielmehr ist es die Anhäufung von vielen kleinen Stressoren, die uns und unsere Pferde irgendwann an den Punkt bringt, wo wir scheinbar „aus dem Nichts“ überreagieren. Ein unbedeutendes Rascheln, eine plötzliche Bewegung, und auf einmal machen wir oder unser Pferd aus einer Mücke einen Elefanten.
Das liegt daran, dass sich verschiedene Stressoren ansammeln. Mit jedem weiteren stressauslösenden Moment wird also unser Stress-Fass gefüllt. Dabei gibt es aber nicht die eine Menge, die bei allen das Fass zum Überlaufen bringt und ein Ereignis bringt auch nicht gleich viel Stress-Wasser in das Fass eines jeden Menschen oder Pferdes.
Was ich damit sagen will, ist: Was uns wie stark stresst und wann es zu viel ist, ist sehr individuell. Um bei der Fass-Metapher zu bleiben könnte man sagen, dass jeder Mensch und jedes Pferd ein unterschiedlich großes Fass hat, das in seinem „Normalzustand“ bereits unterschiedlich stark gefüllt ist und sich durch Stressoren auch unterschiedlich schnell weiter füllt. Was bei einer Person kaum ein Schulterzucken hervorruft, kann bei einem anderen Menschen zu Herzrasen und schwitzigen Händen führen.
Ego Depletion – Wenn das Zusammenreißen schwerer wird
In der Sozialpsychologie gibt es das Konzept „Ego Depletion“, das besagt, dass jedes Verhalten, bei dem wir uns selbst regulieren müssen, uns ein Stück weiter erschöpft. Jedes Mal, wenn wir uns zusammenreißen müssen – sei es im Job, im Alltag oder im Umgang mit unserem Pferd – zehrt das an unseren mentalen Ressourcen. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem wir auf den kleinsten Auslöser überreagieren, weil unsere „Selbstbeherrschungs-Energie“ erschöpft ist. Auch dein Pferd kann dieses Phänomen erleben. Wenn es sich wiederholt an stressige Situationen anpassen muss, fällt es ihm zunehmend schwerer, ruhig zu bleiben, wenn etwas Unerwartetes passiert. Deshalb ist es wichtig, stressfreie Pausen einzubauen, damit ihr beide eure Ressourcen wieder aufladen könnt.
Stress muss nichts schlechtes sein
Stress ist nicht immer etwas Negatives. Er kann sogar zu positiven Erregungszuständen führen, die uns produktiver machen, uns motivieren und bei der Arbeit antreiben.
Doch während der sogenannte Eustress hilfreich sein kann, ist es der alltägliche, chronische Stress – auch „daily life stress“ genannt – der uns belastet. Und nicht nur uns. Auch deinem Pferd geht es nicht anders.
Wenn Mensch und Pferd sich gegenseitig hochschaukeln
Dir ist vielleicht bekannt, dass Stress ansteckend sein kann. Wenn du gestresst bist, wird dein Pferd es spüren. Deine Atmung, dein Herzschlag, deine Körpersprache – all das nimmt dein Pferd wahr, oft viel schneller und intensiver als dir bewusst ist. Es kann sogar sein, dass euer Stress sich gegenseitig potenziert. Was als kleine Anspannung beginnt, entwickelt sich zu einem regelrechten Stresskreislauf.
Ein stressbelastetes Pferd wird unsicherer und reagiert empfindlicher auf äußere Reize. Ein gestresster Mensch wird schneller gereizt und verliert vielleicht die Geduld. Und so steigert sich der Stress gegenseitig.
Langfristig spüren wir die Probleme
Viele von uns nehmen Stress erst wahr, wenn er bereits starke Auswirkungen hat. Wir sind wirklich gut darin, leichten, aber chronischen Stress zu verdrängen! Gereiztheit, Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme oder sogar Kopfschmerzen – das alles sind mögliche Folgen von Stress, die wir oft einfach ignorieren, abtun oder mit anderen Ursachen erklären.
Doch was ist mit deinem Pferd? Auch bei ihm gibt es häufig Stressfaktoren, die auf den ersten Blick unsichtbar bleiben, langfristig aber große Probleme bereiten können. Zum Beispiel:
- Futterstress: Zu lange Fresspausen, zu wenige oder zu enge Futterplätze können Stress auslösen, weil das Pferd seine natürlichen Fressbedürfnisse nicht befriedigen kann.
- Sozialer Stress: Unpassend zusammengestellt Herden, häufige Wechsel in der Herde oder zu wenig Platz für zu viele Pferde können ebenfalls für andauernden Stress sorgen.
All das beeinflusst das Wohlbefinden deines Pferdes langfristig. Und wenn wir diesen Stress nicht erkennen, können sich daraus schwerwiegendere gesundheitliche und psychische Probleme entwickeln.
Was sagt dein Pferd?
Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, ob dein Pferd in seinem Alltag außerhalb des Trainings Stress haben könnte? Vielleicht gibt es kleine, immer wiederkehrende Auslöser, die es belasten. Oft ist es nicht leicht, diese Stressquellen zu erkennen, weil sie sich so gut tarnen.
Doch genau hier liegt die Chance: Indem wir uns bewusst mit den kleinen, alltäglichen Stressoren auseinandersetzen – bei uns selbst und bei unseren Pferden – können wir Lösungen finden. Manchmal lassen sich diese Stressquellen direkt minimieren, manchmal müssen wir unseren Umgang mit ihnen verändern.
Was tun, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist?
Wenn du merkst, dass du und dein Pferd in einem solchen Stresskreislauf feststecken, ist es wichtig, etwas zu verändern. Es geht nicht nur um das Training, sondern auch um die Zeit, die ihr gemeinsam verbringt. Denn letztendlich sollte dein Pferd dein Ruhepol sein – und du der Ruhepol für dein Pferd. Wenn einer von euch aus der Balance gerät, kommt es viel schneller vor, dass entweder du oder dein Pferd durch einen kleinen Auslöser nervös oder wütend werdet.
Wenn du lernen möchtest, wie du besser mit deinem Stress und dem deines Pferdes umgehen kannst, melde dich bei mir. Wir können gemeinsam daran arbeiten, eure Balance wiederzufinden. Auch wenn du nicht in der Nähe wohnst, stehe ich dir gerne in einem Online-Coaching zur Verfügung.
Dein Nervensystem muss einmal komplett zur Ruhe kommen, weil du permanent unter Strom stehst? Dann ist womöglich eine hypnotische Tiefenentspannung genau das Richtige für dich.
Schreib mir einfach eine unverbindliche Nachricht und lass uns schauen, wie wir das Stress-Fass leeren können – für dich und dein Pferd.
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