Bin ich ein Pferdemädchen?

Der Begriff „Pferdemädchen“ ist längst in der Gesellschaft angekommen und weckt bestimmte Assoziationen. Nicht nur in der Pferdewelt, sondern auch darüber hinaus, scheidet er die Geister. Wer das Wort benutzt, tut das häufig mit einer gewissen Intention. Meine Wahrnehmung ist: Es soll ein bestimmter Typ Mensch beschrieben werden. In der Regel ist es eine junge Frau (häufig schlank und blond), reich, privilegiert, teilweise zickig, vielleicht auch naiv – aber eins ist klar: Sie hat nur Pferde im Kopf. Meist wird allerdings damit nicht die Frau gemeint, die ambitioniert Turniere reitet, sondern eher die Freizeitreiterin, die womöglich nach Ansicht der Sprecher*in einer verklärten Sicht auf die Pferde nachhängt und am liebsten frei über die Wiese galoppiert.

Aber was ist dran an dem Begriff und wie wird er sowohl innerhalb als auch außerhalb der Pferdewelt verwendet?

Darüber haben wir in unserer aktuellen Podcastfolge gesprochen. Ich möchte das Thema hier aber auch noch einmal systematischer und tiefergehend besprechen.

  1. Klischee Pferdemädchen
  2. Warum „Mädchen“?
  3. Sender und Empfänger
  4. Ingroup und Outgroup: Die Sozialpsychologie hinter dem Begriff
  5. Braucht es die Emanzipation zur „Pferdefrau“?
  6. Können wir uns den Begriff aneignen?
  7. Wie ich mich als Pferdemädchen sehe
  8. Bearbeitung in meinen Büchern
  9. Mein persönliches Fazit
  10. Mein Angebot für stolze Pferdemädchen
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Klischee Pferdemädchen

Ich habe gerade schon versucht, das Klischee eines Pferdemädchens zu zeichnen – doch sicher gibt es auch andere Vorurteile oder Vorstellungen, die sich hinter dem Begriff verbergen. Womöglich verändert sich das Bild je nach Alter oder Gesellschaft. Häufig soll damit auch beschrieben werden, dass der Person nichts wichtiger ist als das Pferd: Sie hat hat keine Zeit für etwas anderes, spricht nur darüber und beschäftigt sich mit nichts anderem.

Meine persönliche Wahrnehmung ist, dass dieses Bild vor allem von Menschen geprägt wird, die nichts mit Pferden zu tun haben. Dabei geht es (glaube ich) vor allem um das Unverständnis gegenüber dem Hobby Pferd, das tatsächlich viel Zeit, Geld und Nerven kostet. Diese Art von Verantwortung und Verbindlichkeit gibt es meiner Meinung nach nicht bei vielen Hobbys und könnte durchaus als etwas Positives angesehen und mit gewissen Werten verbunden werden. Doch vermutlich gilt hier das alte Sprichwort „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“ – oder aber: Was der Mensch nicht versteht, wertet er ab.

Gleichzeitig beobachte ich aber auch immer wieder, dass der Begriff innerhalb der Pferdeszene verwendet wird, um sich abzugrenzen. Ich habe das Gefühl, dass der Begriff „Pferdemädchen“ innerhalb der Pferdewelt in eine ähnliche Kerbe schlägt wie die Begriffe „Wendy“ oder „Wattebauschwerfer“. So werden in der Regel Menschen bezeichnet, die sich selbst als „Pro Pferd“ ansehen und auf Social Media so positionieren, keine Turniere reiten oder sich womöglich sogar entschieden haben, gar nicht mehr zu reiten und stattdessen am Boden mit ihren Pferden arbeiten. Gerade in diesem Kontext sehe ich häufig eine Abwertung und bekomme das Gefühl, dass es darum geht, den sogenannten „Pferdemädchen“ ihr Wissen abzusprechen und sie ins Lächerliche zu ziehen.

Das sind allerdings lediglich subjektive Eindrücke, die auch täuschen können.

Warum „Mädchen“?

Insgesamt bleibt häufig ein fader Beigeschmack, wenn jemand als „Pferdemädchen“ bezeichnet wird. Gerade aufgrund des Begriffs „Mädchen“ wirkt es schnell verniedlichend. Die beschriebene Person wird also (bewusst oder unbewusst) eher kleingeredet und abgewertet. Mit einem Mädchen könnten auch Naivität und Unprofessionalität oder fehlende Reife verbunden werden. Nur sehr selten gibt es eine solche Verniedlichung gegenüber Männern im Reitsport, die sowieso häufiger im hohen Sport zu finden sind, als im Breitensport. Es könnte also durchaus einen misogynen Anklang haben, den Begriff Pferdemädchen zu verwenden.

Schade finde ich daran, dass damit das Klischee verbreitet wird, dass Pferde und Reiten sowieso nur etwas für Mädchen und Frauen sei. Und, dass dadurch andere Geschlechter ausgeschlossen werden könnten. Gerade Jungen, die in den Reitsport starten, werden teilweise gehänselt oder belächelt oder fühlen sich im Stall auch nicht wohl, weil Reiten immer noch als Mädchensport angesehen wird. Ist das nicht traurig?

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Frauen, die den Begriff gern annehmen und sich die kindliche Leidenschaft und Begeisterung für das Pferd beibehalten möchten. Diese fühlen sich vielleicht auch geschmeichelt, wenn sie Pferdemädchen genannt werden.

Sender und Empfänger

Wir sehen hier also eine klare Trennung zwischen der Wahrnehmung der Sender*innen und der Empfänger*innen. Während die einen sich vielleicht gar nichts dabei denken oder es sogar positiv meinen, wenn sie jemanden als Pferdemädchen bezeichnen, nutzen andere den Begriff bewusst, um andere abzuwerten. Gleichermaßen wird das Wort auch nicht von allen gleich aufgefasst, wenn sie so genannt werden. Die einen freuen sich darüber, die anderen reagieren richtig allergisch darauf.

Das bietet natürlich große Konfilktpotentiale, sofern beide Seiten nicht genau wissen, wie es im jeweiligen Kontext gemeint und aufgefasst wird.

Ingroup und Outgroup: Die Sozialpsychologie hinter dem Begriff

Aus einer sozialpsychologischen Perspektive können Begriffe, die eine Gruppe definieren, wie „Pferdemädchen“ es tut, eine große Rolle bei der Bildung von Ingroups und Outgroups bzw. Eigengruppe und Fremdgruppe. Man geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Eigengruppe (zum Beispiel durch gleiche Werte, Kleidung oder Sprache) das Wir-Gefühl und die Sympathie untereinander stärkt, aber auch die gegenseitige Kooperation fördert. Die eigene Gruppe wird dabei deutlich besser bewertet und es kommt zu einer Abgrenzung von anderen Personen, die nicht die Werte etc. der Eigengruppe teilen.

Wenn nun also (Achtung, ich werde hier stark vereinfachen!) Personengruppe A, die Turnierreiter*innen, die Personengruppe B, die Freizeitreiter*innen, als „Pferdemädchen“ verspottet, könnte das eine Verhärtung dieser Gruppendynamik nach sich ziehen. Dies könnte dazu führen, dass beide Gruppen noch mehr von ihren eigenen Werten überzeugt sind und weniger dazu bereit sind, miteinander zu sprechen.

Umgekehrt gibt es für Turnierreiter*innen keinen (mir bekannten) Begriff, der eine solche Wertung enthält.

Um dieses Gegeneinander nicht weiter zu schüren, finde ich es wichtig, dass sich beide Gruppen wieder mehr auf gemeinsame Werte (z.B. den Ursprung des Hobbys, die Liebe zum Pferd, der Natur, …) fokussieren, als auf die Punkte, in denen sie sich unterscheiden.

Braucht es die Emanzipation zur „Pferdefrau“?

Eine naheliegende Lösung könnte es sein, zu versuchen, den Begriff „Pferdemädchen“ durch „Pferdefrau“ zu ersetzen. Natürlich ist es nicht einfach, den Sprachgebrauch zu verändern, aber es wäre eine Möglichkeit, um erwachsene Reiterinnen zu beschreiben, ohne diese verniedlichende Assoziation zu wecken. „Frau“ könnte mit Professionalität und Ernsthaftigkeit belegt sein und bietet mehr Respekt als das „Mädchen“.

Noch weniger geschlechtsspezifisch wäre der Begriff „Pferdemensch“, sodass nicht nur Frauen darin inkludiert wären.

Doch ist das wirklich die Lösung? Was ist mit den Personen, die der Begriff überhaupt nicht stört, oder die ihn sogar mögen? Und gibt es vielleicht auch eine gute Seite des Begriffes?

Können wir uns den Begriff aneignen?

Ich persönlich bin mittlerweile dazu übergegangen, den Begriff des Pferdemädchens für mich selbst bewusst und positiv zu verwenden. So kann ich es auch besser annehmen, wenn jemand anderes mich so bezeichnet.

Ich sehe jetzt also die positiven Seiten daran und möchte sie auch dir gern mitgeben. Das muss für dich nicht so passen, aber vielleicht hilft es dir auch, dich damit auseinanderzusetzen. Und womöglich könnte es der gesamten Gruppe der „Pferdemädchen“ helfen, wenn sie diesen Begriff für sich selbst positiv konnotieren kann. Und: So kann die Gruppe auch entscheiden, für wen der Begriff gilt. Wenn wir anfangen, auch Jungen und Männer als „Pferdemädchen“ zu bezeichnen, könnte die Bezeichnung auch mit der Zeit geschlechtsneutral angesehen werden. Und ich kenne auch heute schon Männer, die sich selbst als Pferdemädchen bezeichnen.

Wir dürfen nicht vergessen: Worte formen Gedanken, genau wie es umgekehrt der Fall ist.

Also: Was ist positiv daran?

  1. Jungbleiben und die kindliche Faszination beibehalten: Ich bekomme es häufig mit (und erlebe es auch selbst), dass das Hobby Pferd mit der Zeit an Leichtigkeit verliert. Mit steigendem Alter und Wissen kommen häufig vermehrt Sorgen und Ängste dazu, die uns die Freude nehmen können. Das „Mädchen“ anzunehmen, könnte eine Würdigung und Erinnerung an die kindliche Leichtigkeit sein.
  2. „Nur das Pferd im Kopf“: Es ist ein Zeichen dafür, dass wir verantwortungsbewusst sind und uns das Pferd am Herzen liegt, wenn wir uns darüber Gedanken machen. Wie bei einem Haustier oder Familienmitglied könnte es doch von Empathie und emotionaler Intelligenz zeugen, wenn wir uns um das Wohlbefinden unseres Pferdes sorgen.
  3. „Unprofessionalität“: Ich für meinen Teil sehe es nicht als unprofessionell, wenn man sich entscheidet, nicht an Turnieren teilzunehmen (genauso, wie ich es umgekehrt nicht automatisch als professionell oder unprofessionell ansehe, sich dafür zu entscheiden, daran teilzunehmen). Daher kann ich dieses Vorurteil für mich auch leicht ablegen. Wenn du hier Unterstützung brauchst, darfst du dir gern bewusst machen, was du in den letzten Jahren alles dazugelernt hast – ich wette, da wird dir einiges einfallen.

Wie ich mich als Pferdemädchen sehe

Ich glaube, ich bin womöglich die absolute Verkörperung eines Pferdemädchens. Meine Pferde leben neben meinem Haus, ich arbeite als pferdegestützter Coach und mobile Bodenarbeitstrainerin – und ich schreibe Bücher über Pferde. Außerdem clickere ich, reite keine Turniere und betreibe einen Podcast und diesen Blog über das Thema Pferd. Ich kann es also nicht leugnen: Ja, ich bin ein Pferdemädchen. Und ich bin stolz darauf.

Aber weißt du was? Es gibt in meinem Leben trotzdem auch noch andere Themen und Hobbys und ich schaffe es sogar, mich mit Menschen über völlig andere Dinge zu unterhalten. Obwohl es sich mittlerweile nicht mehr so gut verstecken lässt, wie früher. Dafür ist das Berufsthema einfach zu prägnant.

Bearbeitung in meinen Büchern

Ich beschäftige mich schon eine ganze Weile mit dem Begriff des „Pferdemädchens“ und beobachte auch weiter mit Spannung, wie sich das Ganze entwickelt.

So habe ich das Thema bereits in meinem Jugendroman „Hashtag Pferdemädchen“ kurz beleuchtet.

Intensiver habe ich es in „Hilfe, meine Freundin ist ein Pferdemädchen“ thematisiert.

Darin trifft die nicht-reitende Feministin Dilara über Social Media auf Rieke. Zunächst verbindet die beiden vor allem eine Feindschaft, aber vielleicht können ihre Gegensätzlichkeiten auch zu einer Freundschaft werden. Doch dann findet Dilara heraus, dass Rieke ein Pferdemädchen ist. Ausgerechnet! Vom Reiten hält sie gar nichts – und Rieke mag es nicht, als Pferdemädchen bezeichnet zu werden.

Können die beiden ihre Komfortzone verlassen und voneinander lernen?

Mein persönliches Fazit

Ich glaube, der Begriff „Pferdemädchen“ ist tief verwurzelt und hat ganz viele Aspekte an sich, die extrem subjektiv ausgelegt werden können. Das macht es so schwierig, ihn zu definieren oder zu bewerten. Ich persönlich habe ihn für mich positiv definiert und verwende ihn für mich selbst gern. Dennoch gibt es auch Momente, in denen ich das Wort nicht mag. Das liegt dann meist an dem Kontext bzw. an der sprechenden Person, wenn ich weiß, dass diese den Begriff abwertend verwendet.

Ich selbst nenne niemanden Pferdemädchen, wenn ich nicht weiß, wie die Person zu dem Begriff steht, weil ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man ihn nicht für sich annehmen kann.

Deswegen würde ich mir insgesamt einfach eine gewisse Achtsamkeit im Umgang mit Worten wünschen, auch weil ich befürchte, dass dadurch Fronten zwischen Gruppen verhärtet werden könnten. Vielleicht fühlt sich jetzt jemand inspiriert, den Begriff für sich selbst ebenfalls umzudeuten, vielleicht liege ich damit aber auch völlig daneben. In jedem Fall würde mich interessieren, wie du dazu stehst und welche Erfahrungen du damit gemacht hast!

Mein Angebot für stolze Pferdemädchen

Für alle, die sich selbst jetzt (oder auch schon vorher) als Pferdemädchen ansehen, oder gern ihre Liebe zum Pferd mehr oder weniger subtil zum Ausdruck bringen möchten, habe ich auch einen Pferdemädchen Shop entwickelt. Diesen findest du hier – und mehr Informationen zu den Hintergründen im passenden Blogbeitrag.

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2 Antworten zu „Bin ich ein Pferdemädchen?“

  1. […] du meinen Blog, meinen Podcast oder meine Romane kennst, weißt du: Ich habe mich in letzter Zeit viel mit dem […]

  2. […] konfrontiert sind und der Begriff Pferdemädchen teilweise als sehr problematisch empfunden wird, habe ich hier schon mal erklärt. Was ich dir aber nicht gesagt habe, ist, wie Leute, die nichts mit Pferden zu tun haben, mit […]

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