Das Training mit den tausenden Namen und den tausend Gesichtern: Gelassenheitstraining, Schrecktraining, Desensibilisierung, Anti-Schreck-Training, Vertrauenstraining, … Was womit gemeint ist – darüber scheiden sich die Geister. Versuchen wir, ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen, auch wenn es keine 100% allgemeingültige Erklärung gibt.

Desensibilisierung oder (Anti-)Schrecktraining

In der Regel wird hiermit das gemeint, was der Name schon sagt: Das Pferd soll weniger sensibel auf Umweltreize reagieren und sich weniger erschrecken. Das ist erst mal für das Fluchttier Pferd nichts natürliches.

Oftmals wird hier mit sogenanntem Flooding gearbeitet. Das ist eine Bezeichnung, die auch in der kognitiven Verhaltenstherapie verwendet wird und eine Konfrontationstherapie bezeichnet. Hierbei kann es sinnvoll sein, mit einem Menschen, der Angst hat, gezielt daran zu arbeiten, indem der angstauslösende Reiz in echt (in vivo) und in der schlimmstmöglichen Vorstellung präsentiert wird. Es hat sich gezeigt, dass das sehr wirksam gegen Ängste sein kann.

Also kann man das einfach auf das Pferd übertragen? Nein!

Der Mensch kann darauf vorbereitet werden. Ihm kann erklärt werden, warum die Therapie genau so durchgeführt wird und was auf ihn zukommen wird. Ihm wird außerdem erklärt, dass die Angst auf natürliche Weise nach einiger Zeit nachlassen wird. So kann er lernen, dass es gar keinen Grund für die Angst gibt.

Bei dem Pferd geht das nicht! Es wird sich zum einen aufgrund der unerwarteten Präsentation des Reizes erschrecken und bereits in den Fluchtmodus schalten und zum anderen nicht verstehen, dass die Angst mit der Zeit von selbst nachlässt. Stattdessen wird es versuchen zu flüchten und merken, dass das nicht gelingt (denn in der Regel wird das Pferd festgehalten und sogar mit dem angstauslösenden Reiz gejagt). Es ist der Angst also hilflos ausgeliefert und kann nicht herausfinden, was es tun soll.

In der Regel ist das Ziel, dass das Pferd irgendwann von selbst stehenbleibt, weil es keine andere Option sieht und dann der Druck weggenommen wird. So wird (mit negativer Verstärkung) beigebracht, dass das Pferd gruselige Reize ertragen soll. Dann ist es allerdings wirklich oft nur ein Ertragen. Das Pferd setzt sich nicht mit dem Reiz auseinander, erlangt kein Vertrauen in den Menschen (der es zuvor mit dem gruseligen Objekt gescheucht hat) und auch kein Vertrauen in sich selbst.

Manchmal sieht man Pferde, die als bombensicher gelten, mit nahezu totem Blick. Das ist für das ungeübte Auge nicht gleich von einem Pferd zu unterscheiden, das wirklich in sich ruht. Teilweise befinden sich diese Pferde allerdings in einem Zustand der erlernten Hilflosigkeit. Etwas, das wir für unsere Pferde nicht wollen!

Erlernte Hilflosigkeit
Erlernte Hilflosigkeit bezeichnet die Überzeugung, die Kontrolle über die eigene Situation verloren zu haben und für diesen negativen Zustand allein verantwortlich zu sein, sowie nichts daran ändern zu können. Sie entsteht durch negative Erfahrung.

Und: Die Basis für das Flooding bei Menschen ist das Vertrauen der Patient*in in die Therapeut*in. Nicht umgekehrt!

Das ist auch der Grund, warum ich persönlich diese Art des Trainings nicht als hilfreich erachte, um Vertrauen oder Selbstsicherheit beim Pferd zu verbessern.

Gelassenheitstraining

Das, was ich unter Gelassenheitstraining verstehe, orientiert sich stark an den individuellen Kapazitäten des Pferdes. Denn wie gut ein Pferd tatsächlich ohne zu großen Stress mit Reizen umgeht, hängt stark von der Persönlichkeit und den Erfahrungen des Pferdes ab. Aber auch der Mensch leistet einen großen Beitrag dazu, dass das Training entspannt ablaufen kann. Wenn der Mensch bereits mit einer großen Grundspannung und Erwartungshaltung (dass das Pferd zum Beispiel aufgeregt sein muss und wegspringen wird) an die gemeinsame Zeit herangeht, ist es wahrscheinlich, dass das Pferd dies wahrnimmt und ebenfalls erwartet, dass etwas Schlimmes passieren muss.

Deswegen liegt mein Fokus darauf, mit möglichst großer Entspannung an das Training heranzugehen und das Pferd zu beobachten. Es darf selbst entscheiden, wie nah es sich an die neuen Reize heranwagen möchte und wird ausgiebig dafür gelobt, wenn es sich damit beschäftigt (das muss am Anfang nicht bedeuten, dass es daraufzugeht, sondern es kann auch bedeuten, dass es mit Abstand Interesse daran zeigt). Gerne nutze ich hierzu auch das Clickertraining, das ist allerdings keine Voraussetzung für das Training.

Mit diesem Weg werden die meisten Pferde schnell ihre Neugierde wiederentdecken und in ihrem Mut bestärkt werden. Wenn sie merken, dass der Mensch sich über ihr Verhalten freut, werden sie dieses in Zukunft häufiger zeigen.

Zusätzlich gibt es langfristig einen positiven Effekt: Pferde, die gehört werden (und nicht dazu gezwungen werden, etwas zu tun, wovor sie Angst haben) und merken, dass sie ein Mitsprecherecht haben, werden mehr Selbstwirksamkeit aufbauen und ihrem Menschen mehr vertrauen, da er die Bedürfnisse des Pferdes nicht übergeht.

Selbstwirkamkeit
Unter Selbstwirksamkeit wird die Vorstellung verstanden, dass Situationen (auch schwierige) aus eigener Kraft durchlebt und bewältigt werden können.

Wer in Nordessen Lust auf mobiles Gelassenheitstraining hat und die positiven Auswirkungen selbst kennenlernen möchte, darf sich gern für eine Probestunde bei mir melden. Bei weiteren Strecken biete ich gern auch Tages- und Wochenendkurse in ganz Deutschland an. Ich freue mich, wenn du dafür unverbindlich Kontakt mit mir aufnimmst.

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Eine Antwort zu „Wie Gelassenheitstraining das Selbstvertrauen deines Pferdes stärken kann“

  1. […] waren, werden mit der Zeit selbstverständlich. Das kennen viele Reiter*innen zum Beispiel aus dem Gelassenheitstraining: Neue Reize bringen das Pferd erst einmal aus seiner Komfortzone raus. Es reagiert womöglich mit […]

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