Wenn Vorstellung und Wirklichkeit kollidieren
Durch eine Anregung von Britta Gockel von Kleine Tante, die schon mal einen Beitrag zu dem Thema gemacht hat, haben wir in unserer aktuellen Podcastfolge über das Thema Doppelmoral im Reitsport gesprochen. Der Aufhänger war dabei der Satz „Ich liebe mein Pferd, aber …“.
Hören kannst du die Podcastfolge hier (oder du liest den Blogbeitrag weiter):
- Wenn Vorstellung und Wirklichkeit kollidieren
- Einstellungs-Verhaltens-Diskrepanz: Wenn Worte und Taten auseinanderdriften
- Beispiele aus dem Alltag
- Psychologische Erklärungsansätze
- Fazit
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Einstellungs-Verhaltens-Diskrepanz: Wenn Worte und Taten auseinanderdriften
Pferde sind für viele Menschen weit mehr als nur Tiere; sie sind Partner, Freunde und oft ein Spiegel unserer eigenen Emotionen, weswegen sie so gut im Coaching genutzt werden können.
Dennoch gibt es regelmäßig Situationen im täglichen Umgang, bei denen unsere eigenen Handlungen im Widerspruch zu unseren erklärten Überzeugungen stehen. Wir haben das im Podcast mal plakativ „Doppelmoral“ genannt.
Die sogenannte Einstellungs-Verhaltens-Diskrepanz beschreibt das Phänomen, wenn unser Verhalten nicht mit unseren Überzeugungen übereinstimmt. Und leider können wir alle regelmäßig in solche Fallen tappen.
Beispiele aus dem Alltag
In unserer Podcastfolge sind uns gleich mehrere Beispiele eingefallen: Ich habe während eines Coachings mein Shetlandpony deutlich korrigiert, obwohl ich rational betrachtet wusste, dass das nicht helfen würde und ich das Ganze an der Stelle abbrechen sollte (beziehungsweise eine bessere Lösung für alle Parteien finden sollte). Lea hat mit sich selbst gerungen, ob sie sich über die Signale ihres Pferdes hinwegsetzen und reiten sollte, obwohl es gestresst war und sie erinnert sich an eine Situation vor einigen Jahren. Auf einem Turnier traute sie sich nicht, die Teilnahme abzubrechen, obwohl sie spürte, dass die Art, wie sie ritt, dem Pferd nicht gut tat. Wer könnte es ihr verdenken?
Ein weiteres Beispiel wäre aber auch die Vorstellung, dass wir das Pferd jetzt einfach mal reiten können, weil wir doch so viel für es tun (obwohl es vielleicht lange nicht trainiert wurde).
Zu den Hintergründen kommen wir gleich, ich möchte hier noch einmal ganz klar sagen: In der Regel ist diese „Doppelmoral“ keine böse Absicht und sie kann uns allen passieren. Vielleicht, weil wir Signale unseres Pferdes ignorieren (weil wir keine Zeit haben oder unsere eigenen Pläne verfolgen wollen) oder weil wir uns nicht vor anderen blamieren wollen.
Es bringt also nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen, aber ich halte es für sinnvoll, vor sich selbst zu reflektieren, wenn es zu einer solchen Situation kam.
Psychologische Erklärungsansätze
Warum handeln wir trotz besseren Wissens oft widersprüchlich? Die Psychologie bietet hierfür mehrere Erklärungsansätze:
- Kognitive Dissonanz: Dieser unangenehme Zustand entsteht, wenn Überzeugungen und Verhalten nicht übereinstimmen. Um diesen Widerspruch aufzulösen, passen Menschen entweder ihr Verhalten oder ihre Überzeugungen an. Womöglich erklären wir also unser Verhalten, von dem wir bemerken, dass es gerade nicht dem Wohl des Pferdes entspricht, vor uns selbst so, dass wir es besser mit unserem Gewissen vereinbaren können.
- Attributionsfehler: Wir neigen dazu, unser eigenes Verhalten auf äußere Umstände zu schieben, wenn etwas schlecht läuft, während wir bei anderen deren Charakter verantwortlich machen. So ist das Pferd eher „bockig“, als dass wir unser eigenes Verhalten hinterfragen. Wenn etwas hingegen gut läuft, würden wir tendenziell eher sagen, dass das an uns lag. Das sind vollkommen menschliche Zuschreibungen, die dazu dienen, unseren Selbstwert zu schützen und aufrechtzuerhalten.
- Sozialer Druck: Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung (und der Wunsch, Ablehnung von anderen zu vermeiden) kann dazu führen, dass wir uns an die Erwartungen anderer anpassen, selbst wenn dies dem Wohl des Pferdes widerspricht.
- Angst und Unsicherheit: Unbewusste Ängste oder großer Respekt vor dem Pferd können zu Kontrollverhalten oder auch Wut führen, sodass wir eher zu unüberlegten Handlungen tendieren.
Fazit
Es gibt also verschiedene gut erklärbare Gründe dafür, dass wir nicht immer so handeln, wie unsere Werte es erwarten lassen würden.
Indem wir uns unserer eigenen Doppelmoral bewusst werden und die zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen verstehen, können wir unser Handeln zum Wohl des Pferdes anpassen. So kann es helfen, im Nachhinein zu überlegen, was eigentlich passiert ist: Warum haben wir nicht so gehandelt, wie wir es eigentlich für richtig gehalten hätten? Was können wir vielleicht in Zukunft tun, um das zu vermeiden? Ich finde es sinnvoll, sich Verhalten und Einstellung selbst klarzumachen. Denn erst, wenn wir die Diskrepanzen erkennen, können wir auch etwas ändern.
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